„Hilfe, mein Kind will nicht trocken werden!“
Warum ‚Druck rausnehmen‘ oft unpassend ist und was du stattdessen tun kannst.
Warum ‚Druck rausnehmen‘ oft unpassend ist und was du stattdessen tun kannst.
Mein Kind will nicht trocken werden.“ So oder ähnlich klingen die hilfesuchenden Beiträge von jungen Mamas auf Social Media, meist in Mamagruppen oder Parenting-Memberships. Das Kind ist meist 2, 3 oder 4 Jahre alt und trägt noch Windeln oder will für das große Geschäft eine Windel haben.
Darunter kommentieren andere Mütter meist ihre eigenen Erfahrungen, vor allem aber den gut gemeinten Hinweis, doch bitte keinen Druck auf das Kind auszuüben, es bräuchte eben alles seine Zeit.
Wenn das die Lösung wäre, gäbe es wahrscheinlich nicht immer wieder solche Hilferufe. Aber das Thema ist komplex und mein Beitrag beleuchtet hier eine mögliche aber häufige Ursache. Daneben kann es auch sein, dass Scham eine wichtige Rolle spielt, oder zeit an sich, oder Vertrauen in Bezugspersonen, kulturelle Erfahrungen, oder auch Verunsicherungen der Eltern durch sich widersprechende Informationen. Aber schauen wir mal auf ein Beispiel.
Was mir zuallererst ins Auge fällt, wenn wir mal beim Kind bleiben, was nur noch fürs Große Geschäft eine Windel möchte: Das Kind verlangt eine Windel und bekommt sie. Warum? Ich vermute, weil wir als Eltern diesen Wunsch nicht verwehren wollen. „Sonst wird es wütend“, „Sonst weint es“ und das kann unser Herz nicht ertragen. Aber: eigentlich ist nichts Schlimmes passiert. Das Kind bekommt etwas nicht, was es gern haben möchte oder sogar denkt zu brauchen. Hier müssten wir eigentlich die starken Gefühle des Kindes begleiten und trotzdem die eigene Grenze wahren.
Wir haben Angst, dem Kind damit zu schaden. „Was, wenn ich ihm die Windel zu früh wegnehme und es traumatisiere?“ Nein, keine Sorge, ein Trauma kann passieren, wenn wir schimpfen, das Kind „niedermachen“ beschämen und seine Gefühle klein halten wollen. Aber all das wollen wir natürlich nicht.
Sagen wir, es wird wirklich wütend, will die Windel haben, weint, stampft, beißt vielleicht sogar. All das ist trotzdem kein Grund, ihm eine Windel zu geben, sondern ein Ausdruck seiner Wut. Und die darf da sein. Na klar, darf es wütend sein. Es vermisst seine Windel. Die wird ihm auf einmal verwehrt. Es kann sein, dass es jetzt ziemlich hilflos ist. Was nun? Hier ist die Begleitung durch einen Erwachsenen so wichtig. Beim Kind bleiben, ruhig bleiben, und dennoch auch die Wut mit ausdrücken. Dem Kind Worte geben. „Sag, was Du siehst“ hilft hier ganz enorm. Das ist ein Konzept von „Language of Listening“, der erste Schritt in der Interaktion mit dem Kind, bei dem sich das Kind gesehen fühlen soll, denn wir sehen, was mit ihm los ist und fassen das in Worte.
Vielleicht so: „Du wolltest jetzt eine Windel haben. So wie immer. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie das anders gehen soll. Du brauchst eine Windel, jetzt sofort und Mama sagt ’nein‘.“
Das ist der erste und so wichtige Schritt, wenn Kinder starke Gefühle haben. Sie kommunizieren und wollen, dass wir sie hören. Nicht nur akkustisch, sondern auch mit dem, was sie sagen und meinen. Und wenn sie sich genug gesehen fühlen, wenn sie merken, wir verstehen das Problem und bleiben trotzdem bei unserem „Nein“, dann und erst dann können wir gemeinsam eine Lösung suchen.
Ja, das geht auch schon mit zwei oder drei Jahren. Vielleicht hast Du bereits eine gewünschte Lösung und bietest die an. Du hast Grenzen und INNERHALB dieser Grenzen muss es eine Lösung geben. Welche das ist, das könnt ihr zusammen herausfinden.
Wichtig ist, dass eure Beziehung intakt bleibt. Das ist die bedingungslose Liebe, um die es immer wieder geht. Deine Liebe hängt nicht vom Erfolg oder Misserfolg bei diesem Thema ab. Du begleitest, ohne deine Regeln zu ändern und „Gefühle managen“ zu müssen. Letzteres wäre der Fall, wenn dein Kind wütend wird und du daraufhin nachgibst. Das ist nicht nötig, denn du kennst dein Kind und kannst einschätzen, was es schaffen kann.
Die meisten Kinder können mit zwei Jahren ohne Windeln klarkommen. Sie haben es nur bisher nicht gelernt. Im Gegenteil wir haben ihnen ja beigebracht, in die Windeln zu machen. Dann müssen wir auch damit rechnen, dass Widerstand kommt, wenn wir ihnen nun etwas ganz anderes beibringen wollen.
Mehr Zeit geben, warten, bis sie selbst soweit sind, hat nichts mit „Druck rausnehmen“ zu tun. Das ist einfach nur warten, bis sie selbst wollen und realisieren, dass sie etwas neues lernen müssen. Ein kognitiver Entwicklungsschritt. Auf den kann man warten, oder man hilft dem Kind schon deutlich eher, wenn es zwar in der Lage ist, „Trocken sein“ zu lernen, das aber selbst noch nicht als Ziel erkannt hat.
Sicher, wenn Kinder Druck spüren, wird die Situation nicht unbedingt besser und manche widersetzen sich jetzt stärker. Warum? Weil sie wollen, dass wir sie SEHEN – mit ihrem Problem und das kommunizieren sie. Im Notfall sehr deutlich und heftig. Also wenn sie nicht auf Toilette oder den Topf wollen und wir das aber immer wieder anbieten, kann es sein, sie verweigern sich. Denn wir haben vor allem unsere Agenda im Kopf und sehen nicht, was das Kind hier wirklich braucht. Das kann ich hier im Post auch nicht sagen. Das ist spezifisch bei jedem Kind.
Sticker, Belohnungen und ähnliches sind es sicher nicht. Die können trotzdem bei manchen Kindern helfen, weil sie vielleicht eine Motivation darstellen. Aber „gesehen“ fühlt sich das Kind deswegen nicht. Wenn also darunter eine andere Herausforderung liegt, werden Sticker das nicht lösen.Im Gegenteil. Schafft das Kind den Schritt nicht, will aber die Belohnung und bekommt sie nun nicht, fühlt es sich noch mehr als sonst ‚unfähig‘. Das ist leider komplett demotivierend.
Oder die Belohnung ist dem Kind egal. Dann hat sie zumindest keinen negativen Effekt, wir können sie einfach weglassen.
Wenn es also nicht so einfach klappt, müssen/sollten/dürfen wir schauen, was das Kind uns sagen will, was es braucht, um trocken werden zu können. Meist ist es liebevolle Begleitung. Ermutigung. Da sein, wenn es nicht klappt und da sein, wenn es gut geht. Stärken aufzeigen. Dem Kind zeigen, wo es Schritte Richtung Trockenwerden macht. Vielleicht klappts bei Oma, vielleicht klappt „pullern“. Alles Schritte in Richtung Selbständigkeit, die wir herausstellen können, damit das Kind sich selbst als „fähig“ empfindet.
Denn wir arbeiten erst in Richtung Veränderung, wenn wir glauben, dass sie möglich ist.
Das gilt auch für das Kind. Wir kennen alle den Jammersatz: „Ich kann das nicht.“ Aber das ist schon wieder ein anderes Thema.
Wenn wir also unsere Grenze halten können, wenn wir wissen: „Du kannst das lernen“ und das auch kommunizieren, dann kommunizieren wir unseren Glauben in die Fähigkeit des Kindes. Und diesen Glauben kann das Kind übernehmen. Dann dauert es wahrscheinlich nicht mehr lange, bis die Windel Geschichte ist.
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Anne Hentschel
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Anne2025-03-28 12:13:382025-04-07 12:24:47Grenzen setzen, Wut begleiten
Kinder faszinieren mich und ich möchte, dass sie sich frei entfalten können und eine möglichst unbeschwerte Kindheit haben. Deswegen helfe ich Eltern und Pädagogen, Kinder besser zu verstehen. Für ein liebevolles Miteinander und Kinder, die sich gesehen und gehört fühlen. Dann gibts weniger Wutanfälle und Konflikte, starke Beziehungen und trotzdem keine verwöhnten Gören. Und natürlich lassen sich meine Methoden auch auf Erwachsene anwenden, denn wir sind schließlich alle Menschen und haben grundsätzlich die gleichen Bedürfnisse. Wenn Du mehr wissen willst, hier bist Du richtig.

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